Das kreative Ei

Copyright E. Maranke
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Was ist Kreativität?

Dieses allerliebste Wort leitet sich ab vom lateinischen „creare“. Die Bedeutung geht in die Richtung: hervorbringen, erschaffen, gebären, entstehen lassen …

 

Wenn ich mir die Bedeutungsrichtung so anschaue - tun wir das nicht jeden Tag? Etwas entstehen lassen, etwas erschaffen?

Aus meiner Sicht ist Kreativität in jedem Menschen vorhanden und hilft ungemein im Alltag: wenn ich ein Problem löse, wenn ich ein Zimmer einrichte, wenn ich einen Reiseplan austüftele – bis hin zu geistiger Manifestation: Wenn die glücklichen Zufälle nur so prasseln, sodass ich mich fühle, wie Sterntaler.

 

Meistens verstehen wir Kreativität jedoch in Hinsicht auf eine künstlerische Tätigkeit. Auch der/die Künstler/in wohnt in jedem Menschen. Und plötzlich taucht er auf, dieser Wunsch: Ich möchte endlich mal wieder etwas Kreatives machen! Dieses Bedürfnis entsteht nicht von ungefähr, weil wir oft unsere Kreativität im Alltag gar nicht so bewusst wahrnehmen können. Gedankengeplapper oder Stress stehen dem meistens im Wege. Aber ich schwöre, Kreativität ist ein ständiger Begleiter – und sie wird jeden Tag genutzt.

Das bewusste Wahrnehmen von Kreativität hängt meistens mit einem verstärktem Jetzt-Bewusstsein zusammen, was bei einer künstlerischen Betätigung im weitesten Sinne, entsteht. Dann ist man beschäftigt mit seinem „Werk“, völlig versunken, wie ein Kind. Es gibt nur „dies“ und zwar „Jetzt“, und alles andere wird ausgeblendet.

Das „kreative Gefühl“ – so ein Prickeln im Bauch – ist am höchsten, wenn ich gar nicht mehr nachdenke, wenn ich mich im „Flow“ befinde und meinen Ideen sofort Ausdruck verleihe, ohne groß darüber nachzudenken. Ob das nun gut oder schlecht ist, was ich da fabriziere, scheint vollkommen egal. In der Tat entsteht dieses Gefühl meistens in einem künstlerischen Bereich, wie Malen, Singen, etwas gestalten, Schreiben, eine Bühnenszene entwerfen, Töpfern, Gärtnern, etwas bauen, Tanzen, Fotografieren, Nähen, Filmen ...

Man gibt sich begeistert und mit roten Bäckchen einem Ideenstrom hin, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob das nützlich ist, was man da gerade tut.

Das Bewerten, Überarbeiten oder „Schleifen“ findet eher hinterher statt, um das kreative Werk noch etwas mehr in „Form“ zu bringen. Und wenn es dann fertig ist – die Tonfigur, das Bild, das Gartenhaus, der Text, der Song, das Bühnenstück – kann ich stolz sagen: Das habe ich erschaffen!

Dieser ganze Prozess – ohne, dass nur ein einziger Mensch ein Auge auf das „Werk“ geworfen hätte – kann so zufrieden machen, da kommt kein gutes Essen mit.

 

Wenn die Sehnsucht nach diesem Gefühl so groß ist, wieso kann es dann so schwierig erscheinen dem kreativ/künstlerischen Schaffen Raum zu geben? Alles andere erscheint wichtiger, als dieser inneren Vision zu folgen.

Auf diese Frage habe ich zwei Antworten gefunden:

Erstens: In einem geprägten konditionierten Denken, was auf Nützlichkeit, Zielorientiertheit und Leistung getrimmt ist, erscheint es oft als „Zeitverschwendung“, sich einfach der Verwirklichung einer Idee hinzugeben, bei der nicht klar ist, was daraus werden soll, wozu es gut sein soll, was es bringen soll. Dieses Denken kann schwer zu überwinden sein, da es sich mit der Wichtigkeit des „Überlebens“ oder des „Okay-Seins“ tarnt.

Disziplin, Wille, und Entschluss können helfen. Manchmal macht es die Sache aber auch sehr eng und stressig – als Künstlerin weiß ich ganz genau, wovon ich da rede. Es erleichtert den Entschluss, sich den Raum für Kreativität zu nehmen ungemein, wenn die Erkenntnis, dass es im Leben nicht nur um „Nützliches“ geht, tief empfunden wird: Die Lebenszeit ist endlich, und selbstverständlich geht es auch um das „Schöne“ und das „Jetzt“ – was nützliche Dinge überhaupt nicht ausschließen muss. Das schreibe ich nicht nur so dahin – weil, wenn man das wirklich fühlen kann, findet eine Distanzierung von diesem Glauben statt, dass es hier in diesem Erdenleben nur um Materialität geht. Aus meiner Sicht sind Menschen auch gar nicht so materiell, sie sind in erster Linie geistige, emotionale, beseelte Energiewesen. Sie müssen in einer materiellen Welt überleben, leiden aber darunter, wenn ihre Schöpferkraft sich nur auf die materielle Existenz bezieht, dominiert von Angst und „To-do-Listen“.

 

Zweitens: Obwohl sich kreativ-künstlerische Tätigkeit nicht direkt zielorientiert anfühlt (das ist ja das Schöne), gibt es oft trotzdem ein „Ziel“: die Vision vom vollendeten Werk. Viele Menschen tragen die Angst vor Negativ-Bewertung mit sich herum und haben dementsprechende Schutzmuster oder Vermeidungshaltungen. Man kann sich immer wieder fragen, was eigentlich schlimmer ist: die negativen Bewertungen von anderen oder die eigenen?

So kann es sein, dass die Idee, die Vision oder Lust auf etwas, schon in der Entstehung wieder versinkt durch eigene Abwertung und Ansprüche – inklusive der Angst davor, dass, wenn die eigene Schöpfung vollendet ist, sie „nicht gut genug“ ist, in den Augen eines anderen Menschen. Da kommt eine instinktive Verletzlichkeit in Schwingung, die sich eigentlich schon am liebsten verkriechen möchte, bevor es losgeht.

 

Es gibt bestimmt noch mehr Antworten auf die Frage, warum man sich nicht einfach den Raum nimmt einer kreativen Idee zu folgen. Viel interessanter wird es, wenn ich frage: Wie kann ich mich über die Hemmungen hinwegsetzen und es einfach tun?

Auch hier gibt es viele Antworten, aber kein Patenrezept: Manchmal hilft es, die Plappergedanken einfach zu ignorieren, und loszulegen. Manchmal hilft es, sich die Angst vor Negativ-Bewertung genauer anzuschauen, zu fühlen und sich zu erinnern, wo sie herkommt – das ist meistens ganz schnell klar, wie ein Bergsee. So kann ich Verständnis gewinnen und sie annehmen, anstatt gegen sie zu kämpfen. Manchmal kann es helfen, sich selbst wirklich als ein Energiewesen zu sehen – als so eine Art Medium, was von Ideen durchströmt wird. Und dann gibt es da diese eine Idee/Vision, die immer wieder anklopft und durch mich verwirklicht werden möchte – das Universum möchte es einfach so. An dieser Perspektive zerschellt jede To-do-Liste.

 

Eins weiß ich sicher: Es ist ein Weg, der sich lohnt. Auf diesem Weg erscheint viel Freude und Begeisterung. Es kann Heilung geschehen und Selbsterkenntnis. Es kann vollkommenes Neuland betreten werden, in einer Welt, von der man vielleicht meint, sie schon so gut zu kennen, dass es langweilig wird.

Und was am Ende des Weges dabei herauskommt, ist (Fanfaren): das kreative Ei!

Und eine Welt, die reicher geworden ist durch deine Schöpfung.